Biomechanisches, KI-basiertes Unterstützungsmodell zur Diagnostik eines „Abusive Head Traumas“ (AHT)

Ein durch Misshandlung verursachtes Kopftrauma (abusive head trauma; AHT) betrifft hauptsächlich Säuglinge und Kleinkinder in den ersten zwei Lebensjahren. Die Inzidenz von AHT in der westlichen Welt liegt bei 20 bis 40 Fällen pro 100.000 Kinder unter einem Jahr. Eine häufige Form von AHT ist das sogenannte Shaken-Baby-Syndrom (SBS), das als schwerster Kindesmissbrauch betrachtet wird und die häufigste nichtnatürliche Todesursache bei Säuglingen und Kleinkindern darstellt. Die genauen Ursachen und Mechanismen von AHT/SBS sind noch nicht vollständig verstanden, was zu Diskussionen und Kontroversen in der Literatur führt sowie vor Gericht. Das konkrete Problem ist hierbei die stark eingeschränkte Datenbasis zu eindeutig identifiziertem AHT bei Säuglingen und Kleinkindern.

Das Ziel des Projektes ist es, ein lernfähiges Modell auf der Grundlage von Methoden des "Machine Learning" aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) zu entwickeln, das bei der Ermittlung des Verletzungshergangs bei AHT-Fällen unterstützen soll. Das Modell soll auf radiologischen Basisdaten und realen Fällen basieren und lernen, unter welchen Umständen (z. B. Fallhöhe) und anatomischen Gegebenheiten ein Schädelbruch beziehungsweise mit einem AHT assoziierte Verletzungen des Gehirns mathematisch plausibel erklärt werden kann. Dadurch soll das Modell als Vorhersage- und Unterstützungstool in der klinischen Diagnostik von AHT dienen.

Universitätsklinik HeidelbergFür den Aufbau eines solchen Tools werden umfangreiche und hochwertige Bildgebungsdaten (CT und MRT) benötigt, die nicht nur die Diagnose eines AHT, sondern auch "Normalbefunde" und andere traumatische Verletzungen abbilden, um eine um eine entsprechende Trennschärfe zwischen infrage kommenden Differenzialdiagnosen erreichen zu können. Die anonymisierten Fälle sollen kinderradiologischen Expert*innen vorgelegt werden, die sichtbaren Veränderungen und Verletzungen annotieren und eine Verdachtsdiagnose äußern. Dieses Vorgehen gewährleistet eine hohe Diagnosesicherheit durch die Betrachtung mehrerer Expert*innen und ermöglicht die Analyse des Interobserver-Agreements, was für das Anlernen der KI und die Diagnosesicherheit des Tools wichtig ist.

Für eben diesen Aufbau werden kinderradiologische Expert*innen gesucht, die an der Entwicklung des Tools mitwirken können, ebenso wie die entsprechenden Bildgebungsdaten, um ein möglichst breites, jedoch qualitativ hochwertiges Spektrum an ähnlich gelagerten und auch differenzialdiagnostisch in Betracht kommenden Fällen abbilden zu können. In Zukunft ist auch nach Durchführung einer Vorstudie eine Drittmittelförderung (DFG) des Projektes geplant. Sollten Sie Interesse haben selbst als Expert*in an dem Projekt mitzuwirken oder entsprechende, anonymisierte Bildgebungsdaten zu Verfügung zu stellen, wenden Sie sich gern an:

PD Dr. med. habil. Katharina Feld
Oberärztin | Fachbereichsleitung Forschung
Universitätsklinikum Heidelberg
Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin
Voßstraße 2
69115 Heidelberg
Tel. +49 6221 56-310452
Fax. +49 6221 56-5252
E-Mail: katharina.feld@med.uni-heidelberg.de

veröffentlicht am Donnerstag, 27. Juli 2023